Fernando Pessoas „Buch der Unruhe“ könnte ein Dokument der Entfremdung sein – und erscheint doch eher als eines der Überheblichkeit und Herablassung. Ein Gedankenspiel.
Ich dachte eigentlich, „Das Buch der Unruhe“ von Fernando Pessoa könnte mich interessieren. Aber jetzt bin ich von dessen Beschreibung als „von Überheblichkeit getriebene Sammlung misanthropischer Miniaturen“ abgestoßen.
Die eigene Subjektive kann natürlich zu einem Gefühl der Entfremdung von den Anderen führen, die uns wegen unserer „Krabben- und Langustengedanken“ (wie Jean-Paul Sartre das in „Der Ekel“ nennt) als Außenseiter sehen. Aber das darf niemals zu Überheblichkeit führen wie scheinbar bei Pessoa.*
Klar, sind andere Menschen oft befremdlich. Aber sie sind grundsätzlich nur genauso falsch und dafür genauso richtig wie wir selbst. Außer freilich da, wo sie oder wir intolerant, herablassend, diskriminierend oder gegen Gleichberechtigung sind.
Menschen ist prinzipiell mit Nachsicht zu begegnen.
Ja, ich war als Heranwachsender und junger Erwachsener auch überheblich. Diese Überheblichkeit war die einzige Überlebensstrategie gegen das entwürdigende Mobbing, ein Schutzwall. Damit ist diese Überheblichkeit vor allem Ausweis eines mangelnden Selbstwertgefühls.
Die Frage ist, ob es überhaupt eine andere Überheblichkeit gibt.
Die Aufgabe gegenüber dem „Buch der Unruhe“ wäre aus diesem Blickwinkel, dem Gefühl der Entfremdung und dem Außenseiterdasein ohne Überheblichkeit Ausdruck zu verleihen.
* Inwiefern Bernando Soares, der Erzähler des „Buches der Unruhe“, ein eigenständiges lyrisches Ich oder ein Heteronym Fernando Pessoas ist, bleibt in der Forschung umstitten. Pessoa ist jedenfalls wie Costa Brochado, mit dem er im Artikelfoto abgebildet ist, ein radikaler Antidemokrat.